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Der Drang nach Leistung, und warum diese nicht in Zahlen zu fassen ist

Segelflugzeuge erhalten bei der Auslieferung ein umfassendes Handbuch, in dem neben anderen wichtigen Dingen auch die jeweilige Polare für das betreffende Modell angegeben ist.
Der Drang nach Leistung, und warum diese nicht in Zahlen zu fassen ist

Im Gleitschirmsport gibt es eine nicht unerhebliche Anzahl von Piloten, die dasselbe für ihre Schirme fordern - wir erhalten im Durchschnitt ein bis zwei Mails pro Woche um die Polare für das ein oder andere Modell zu liefern. Die Antwort lautet jedes Mal gleich: "Es gibt sie nicht und es wird sie auch nicht geben".

Warum können wir für all die technikbegeisterten UP Piloten diese Daten nicht bereit stellen, um beispielsweise die Fluginstrumente damit zu füttern? Die Antwort ist nicht so einfach wie gedacht.

 

Theoretische Berechnung der Leistungsdaten

Ein Gleitschirm ist nach dem ersten Aufziehen nicht mehr in der ursprünglichen Form. Das vom Konstrukteur gewählte Profil ist mit den Profilrippen in die Schirmkappe eingenäht. Die Zellwände sind allerdings nur ein unendlich kleiner Teil des gesamten Flügels, der größte Anteil sind die Segelbahnen des Ober- und Untersegels. Diese blähen sich durch den dort vorherrschenden größeren Innendruck auf. Durch die Druckverteilung ist dieses Aufblähen, bedingt durch die "weiche" Eigenschaft des Flügels, nicht konkret berechenbar.

Die Zellwände sitzen in Vertiefungen der aufgeblähten Ober- und Untersegelbahnen. Versucht man dieses Aufblähen in die Strömungssimulation mit einzubeziehen, erhält man je nach Berechnungsmodell unterschiedliche Simulationsergebnisse. Bei nur kleiner Änderung des Aufbläheffektes, den wir dem Modell hinzufügen, variieren diese stark. Dies bedeuted wiederum dass alle Simulationen recht ungenau sind und sich die reellen Werte über den Lebenszyklus des Schirmes zusätzlich durch die Alterung des Gleitschirmstoffes ändern.


Wir haben somit die paradoxe Situation, dass die bekannten profilgebenden Teile (Zellwände) verstecktes Territorium im Sinne von Strömungssimulationen und - berechnung sind. In der Zellenmitte können wir den Luftstrom zwar mit dem notwendigen Quäntchen Genauigkeit vorhersagen, jedoch aufgrund des Aufblähens der Zelle nicht hinreichend modellieren.

Je mehr Zellen wir dem Schirmdesign hinzufügen, desto genauer stimmt die gefüllte Kappe mit dem gewünschten Profildesign überein. Mehr Zellen bedingen allerdings höhere Herstellungskosten, höheres Gewicht und zudem schlechtere Schirmreaktion nach einem Klapper.

Und all das bevor wir in die Berechnung die Turbulenzen einfließen haben lassen.

Gleitschirme sind "weiche" Fluggeräte aus Stoff, die durch einen verschwindend geringen Druckunterschied aufgeblasen werden. Sie sind dadurch nicht so anfällig für die Gesetze der Physik wie Fluggeräte aus anderen Materialien. Ein Gleitschirm wird in der Luft ständig "herumgestoßen" und jede kleine Bewegung verändert somit das Profil in kleinem und großem Umfang. Das bedeuted, dass das Profil, das aktuell durch die Luft fliegt, nie exakt dem vom Konstrukteur ausgewählten Profil entspricht. 

Ein wesentlicher Anteil der Schirmkonstruktion zielt auf die Reduktion oder zumindest Kontrolle der Deformation des Profils bei der Bewegung des Schirms durch echte Luft (und nicht durch einen modellierten laminaren Luftstrom am Bildschirm). Bei UP-Schirmen sorgen insbesondere die Horizontalbänder auf der A- und B-Ebene für eine stabile Kappe entlang der Spannweite. Minirippen (kleine zusätzliche Rippen entlang der Hinterkante) sorgen dafür, dass sich die Hinterkante nicht verbiegt wenn sich der Innendruck bei unterschiedlichen Anstellwinkeln verändert. Kleine Bemerkung am Rande: unser NGA (New Generation Airfoil), welches wir bei allen Performance-Flügeln verwenden, bügelt diese Druckunterschiede zusätzlich aus, wodurch das Phänomen der Verkürzung der Hinterkante durch das Aufblähen der Zellen und damit die Verformung der Kappengeometrie im hinteren Bereich deutlich weniger auftritt. 

In einigen Fälle kann die weiche, nachgebende Eigenschaft der Schirmkappe sogar zu unserem Vorteil genutzt werden. Speziell bei niedriger klassifizierten Schirmen wird der Bereich um die Eintrittskante weicher ausgelgt, um durch Deformation die Energie abzudämpfen, die der Schirm zum Beispiel beim Ausfliegen aus der Thermik durch das Vorschießen entwickelt. Das weitere Abtauchen und ein möglicher Klapper werden dadurch effektiv verhindert.

Wir werden oft gefragt, weshalb unsere Schirme (trotz hoher Streckung) so gutmütig bei Klappern reagieren, ja sogar sehr klappresistent seien. Die Antwort hierauf liegt in genau dieser Eigenschaft: der dämpfenden Wirkung einer weichen, nachgebenden Kappe.

All diese Informationen untermauern unsere eigentliche Absicht: warum wir bei unseren Schirmmodellen keine detaillierten Leistungsdaten angeben. Wir haben mit obigen Ausführungen die technische Herausforderung bei der computerbasierten Datenerzeugung herausgestellt, doch dazu kommt noch folgendes: 

 

Statistisches Ermitteln von Leistungsdaten

Ein weiterer denkbarer Weg zum Erzeugen der Leistungsdaten mit hinreichender Genauigkeit wäre zum Beispiel das Sammeln von Daten während zahlloser realer Flüge in ruhiger Luft. Für Piloten die Daten für den Endanflug-Kalkulator ihres GPS-Vario benötigen wäre dies ein gangbarer Weg. Hierzu müsste der Pilot an einem wolkigen, frühen Morgen ohne Wind auf einem hinreichend hohen Startplatz eine Datentabelle erstellen, indem er die Sinkgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Gleitgeschwindigkeit ermittelt. Je mehr Datenpunkte dabei erfasst werden, umso genauer ist die dann erzeugte Polare* - FÜR DIE VERWENDETE SCHIRM/GURTZEUG KOMBINATION UND DIE JEWEILIGE HÖHE; BEI DER DIE DATEN ERFASST WURDEN! Diese Daten sind wiederum unbrauchbar für einen Freund, der zwar denselben Schirm fliegt, aber ein anderes Gurtzeug verwendet oder dieses anders einstellt, und sie sind signifikant unterschiedlich wenn bei gleicher Konfiguration die Daten in unterschiedlicher Höhe ermittelt werden. Dies ist einer der Gründe warum wir diese Methode nicht anwenden um absolute Leistungsdaten zu ermitteln, da die ermittelte Polare nur relevant für den einzelnen Schirm ist, und nur in der Höhe in der die Daten erzeugt wurden.

 

Marktmechanismen

Typischerweise ist der Modelllebenszyklus eines Schirmes 2 bis 4 Jahre. Sollte ein Schirmhersteller als Verkaufsargument die Leistungsdaten nutzen, so wird dieser ziemlich schnell merken, dass der Markt als Zeichen der Leistungsverbesserung eine Steigerung der Gleitzahl von etwa 0,5 im Vergleich zum Vorgängermodell erwartet. Innerhalb eines Zeitraumes von 2 bis 4 Jahren ist so eine Steigerung jedoch völlig unrealistisch. In einem Zeitraum von 10-15 Jahren würde dieser Hersteller immer unrealistischere Zahlen veröffentlichen, zum Nachteil der Glaubwürdigkeit der gesamten Industrie und speziell für den einzelnen betroffenen Hersteller. Dieser Hersteller ist dann nur solange erfolgreich, bis der Markt diesen Bluff bemerkt. Das Resultat schwankt dann von leichter Verärgerung bis hin zu teurer Fehlentwicklung.

Zum Glück kann, aufgrund der besonderen Beschaffenheit der Schirmkonstruktion, ein neues Modell einen riesigen Schritt vorwärts bedeuten, ohne dies durch ein am Computer modelliertes oder im Versuch gemessenes Datendiagramm aufzuzeigen. Einfach indem es sowohl sicherer und einfacher in Turbulenzen zu fliegen ist als auch durch verbesserte Umsetzung der Energie in Höhe in turbulenter Luft und auch eine Verbesserung der Steigeigenschaft in schwacher Thermik. Diese Eigenschaften sind objektiv nicht messbar und werden es auch nie sein, jedoch wird der erfahrene Pilot bereits kurz nach dem Start von dieser Verbesserung des Schirms Notiz nehmen und diese auch viel besser für sich nutzen können, als durch eine imaginäre Erhöhung der kalkulierten Gleitzahl um 0,5. 


Zusammenfassung

Es gibt zahlreiche gute Gründe KEINE absoluten Leistungsdaten zu veröffentlichen. Werden diese wissenschaftlich ermittelt, z.B. mit Computersimulationen, so basieren diese auf nicht komplett modellierbaren Annahmen. Sofern diese durch Flugversuche ermittelt werden, so sind diese lediglich relevant für die jeweilige Schirm/Gurtzeugkombination während des Testes. Somit sind beide Wege ziemlich ungenau. Außerdem möchten wir das Vertrauen unserer Kunden wahren - und deshalb veröffentlichen wir diese Daten nicht. So einfach ist das.

 

Randbemerkung

Um die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Schirmes festzustellen, ist es am besten, Du fliegst ihn selbst Probe, vergleichst ihn mit anderen und machst Dir einen Gesamteindruck vom Flügel und seinen Leistungsmerkmalen wie: Geschwindigkeit und Gleitzahl, Dreh- und Thermikeigenschaften, Stabilität in Turbulenzen, Komfort und Handling. Letztendlich wirst Du immer nur dann die maximale Leistungsfähigkeit herausholen, wenn Du dich absolut wohl unterm Schirm fühlst.

Und nachdem Du einen UP-Schirm testen konntest, wirst Du verstehen warum unsere Flügel zu den leistungsstärksten ihrer Klasse zählen ;)

 

 *) Eine Kurve im Koordinatensystem: die horizontale Geschwindigkeit werden auf der X-Achse und die Sinkwerte auf der Y-Achse eingetragen (Bild zu Beginn des Artikels).




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